Eine Woche in Bihać

Ich habe in den letzten Tagen schon ein paar Mal von meinen ersten Eindrücken erzählt und jeder der fragt, hört eine ganz neue Geschichte. Meine Grundstimmung ändert sich noch von Tag zu Tag und auch dieser Artikel ist nicht mehr als eine Momentaufnahme.

Wir hatten das Glück, kurz vor Wochenende anzukommen und hatten viel Zeit, um einige märchenhaft schöne Ecken an der Una zu entdecken, im klaren Wasser zu baden und am Strand unter der sengenden Sonne zu liegen. Ein letztes bisschen Urlaub. Ich habe meine Mitfreiwillige Emilia kennengelernt und wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten, also denke ich das wir uns gut zusammenleben werden. Sie hat bosnisch/kroatische Wurzeln und möchte unbedingt Bosnisch lernen, ich hoffe ihre Motivation kann auch mir ein Ansporn sein, denn wir werden auf der Arbeit nur Englisch reden.

Arbeit, die von Leidenschaft lebt

In dieser ersten Woche hat uns Emina, die den JRS in Bihać und damit auch uns Freiwillige koordiniert, in die Arbeit des JRS hier eingeführt, aber nicht nur als Chefin, sondern wir sind auch viel Kaffee trinken gegangen, waren zusammen tanzen und haben über alles erdenkliche geredet. Unsere Arbeit wird vor allem in Lipa sein, dem single-man-camp, wo die meisten Geflüchteten 2-3 Tage verbringen, bevor sie den Grenzübertritt nach Kroatien und damit in die EU wagen. Früher wurden in dem Camp zeitweise 2000 Menschen untergebracht, allerdings kommen aktuell nicht mehr so viele über diese Route und die Stimmung dort ist eher ruhig. Der JRS betreut in Lipa zwei Container, einen Barbershop und den IT-Container. Wir werden diese beiden Räume an vier Tagen die Woche öffnen und am Mittwoch ins Outreach oder in das Familiencamp Borići gehen. Outreach bedeutet, dass wir mit dem Auto das Grenzgebiet abfahren und nach Flüchtlingen Ausschau halten, denen wir Klamotten, Schuhe, Wasser oder unsere Aufmerksamkeit schenken können. Einige von ihnen brauchen auch medizinische Versorgung oder Essen, worum sich andere Hilfsorganisationen vor Ort kümmern. Neben all diesen formellen Aufgaben geht es jedoch vor allem darum, den Menschen eine möglichst angenehme Zeit zu gestalten und sie wie gleichwertige Menschen zu behandeln, obwohl dort mehr als deutlich ist, wie ungleich unsere Chancen tatsächlich sind. Das beginnt schon damit, dass wir jeden Tag mit dem Auto nach Lipa fahren (dieses Camp liegt recht abgelegen, um die Migranten aus der Stadt zu halten), während für die Camp-Bewohner nicht ein einziger Bus von dort wegfährt. Dafür setzt sich Emina gerade ein, aber es fand sich bisher kein Busunternehmen, das sich bereiterklärt hat und wahrscheinlich ist es auch verboten. Ansonsten befinden sich in Lipa noch ein paar andere Organisationen und jede hat ihre eigenen Aufgabenbereiche. Das Rote Kreuz kocht beispielsweise, ISPIA gibt Getränke aus und hat Sportangebote, es gibt ein Psychologenteam, Mediziner, Anwälte, Dolmetscher, … Man kann sich im Break Room austauschen, aber arbeitstechnisch ist alles strikt getrennt. In Lipa gibt es ein paar Regeln, was die Kleidung angeht (nicht übers Knie oder eng), man hält sich nicht zu viel außerhalb seines Bereiches/Container auf und man umarmt keine Migranten, schenkt ihnen nichts und mischt sich nicht in Konflikte ein. Aber im Container sollen wir uns innerhalb dieser Grenzen kreativ ausleben. Nach dem ersten Tag, war ich erstmal ein wenig betrübt, weil ich mir noch nicht vorstellen konnte, jeden Tag da zu sein und für gute Stimmung zu sorgen. Doch mittlerweile habe ich ein paar Ideen gesammelt und denke, dass man die Zeit sinnvoll gestalten kann. Und die Geflüchteten, mit denen ich bisher gesprochen habe, waren zum Teil sehr offen und haben gern von ihrer Heimat, Familie und ihrer Flucht erzählt. Die Sprachbarrieren sind zwar deutlich größer als ich gedacht hatte, aber sie waren alle sehr dankbar allein dafür, dass sich jemand ihnen widmet.

Ankommen

Mittlerweile konnten Emilia und ich schon die Wohnung unserer Vorgänger Klemens und Hugo übernehmen und haben uns ein bisschen eingerichtet. Noch sieht alles etwas provisorisch aus, aber das kommt nach und nach. Wir werden wahrscheinlich auch noch eine weitere Freiwillige hierher bekommen. Im Supermarkt gibt es sogar dunkles Brot, also falls uns das Heimweh mal packt, können wir einfach die Augen schließen und Vollkorn kauen.

Die Stadt ist abends sehr lebendig, alle Cafes sind voll, überall läuft Musik, in den Clubs wird zu Turbofolk getanzt und es gibt wohl auch viele Sportangebote, wo wir uns noch was rauspicken werden. Wir haben auch schon jemanden gefunden, der uns mal auf einen Berg begleiten würde und die italienischen Freiwilligen gehen mit uns mal Kaffee trinken, also für die erste Woche haben wir uns schon ganz gut vernetzt würde ich sagen.

Burg Sokolac

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